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Churchill im Norden Kanadas ist ein winziges, ödes Kaff – aber im Herbst steppt hier der Bär; genauer gesagt: der Eisbär. Dann kommst du den riesigen Raubtieren so nah wie nirgendwo sonst

„Willkommen in der Dymond Lake Lodge.“ Gerade erst dem Helikopter entstiegen, sehen sich die Gäste einer Art Waldschrat gegenüber: Zottelbart, zum Zopf gebundene lange Haare, klobige Stiefel. Und um seinen Oberkörper baumelt ein großkalibriges Gewehr.

Die Bewaffnung ist keine Folklore: Sie dient als Schutz vor denen, die eigentlich der Grund unserer Reise waren – Eisbären. Die nächsten sind nur ein paar Schritte entfernt, auf dem Eis des gefrorenen Dymond Lake, ein See wie Tausende hier im hohen Norden Manitobas.

Wer Frischluft braucht, muss hinter einen Zaun

„Die zwei treiben sich hier seit einigen Tagen herum“, sagt der zottelige Gastgeber, der sich als Terry Elliot vorstellt und die kommenden Tage in die Rolle unseres Schutzengels schlüpfen wird. „Eine Mama und ihr Junges.“ Die Tiere haben keinen Blick für uns übrig.

Doch das muss nichts heißen: „Eisbären können schneller spurten als ein Rennpferd“, sagt Elliot. Er erklärt uns die Regeln. Regel Nr. 1: „Geht nie vor die Tür.“ Ein Eisbär könnte jederzeit in der Nähe sein. Wer Frischluft braucht, hat nur eine Möglichkeit: einen umzäunten Bereich an der Lodge.

Elliott hat immer ein paar Steine in der Tasche

Elliots Regel Nr. 2: „Wenn wir draußen sind: Bleibt immer zusammen.“ Wer sich von der Gruppe entfernt, kann leicht zur Beute werden. Um die Sorge zu zerstreuen, dass Besucher besser gleich ihr Testament machen sollten, ergänzt der Guide: „Bei mir ist noch nie etwas passiert, und ich mache den Job seit Jahren.“

Die Eisbären jagen im Winter Robben auf dem zugefrorenen Eis der Hudson Bay © Oscar Carrascosa Martinez/shutterstock.com

Wir verjagt man einen Eisbären? Der Touristenführer kramt in seiner ausgebeulten Jackentasche und zieht ein paar dicke Steine hervor. Die kriegt der Bär auf die Nase. Zweite Stufe der Eskalation: die Schreckschusspistole. Als letztes Mittel würde Elliot eine Ladung Schrot auf ein Tier abfeuern. „Meistens reicht aber ein Schneeball. Bei einem Treffer hauen sie ab – sie mögen keine Berührung.“

Die Tiere warten darauf, dass das Eis zufriert

Churchill ist eines der besten Areale weltweit, um Eisbären in freier Wildbahn zu beobachten. Hier münden zwei Flüsse in das riesige Randmeer der Hudson Bay. Die Folge: Die Bay friert dort als erstes zu. Für die Bären der schnellste Weg hinaus aufs Meer, zu ihrer Leibspeise: Robben. Daher versammeln sich im Spätherbst viele von ihnen rund um Churchill und warten darauf, dass das Eis trägt. Der Slot für die Bear Watch ist etwa sechs bis acht Wochen offen, von Ende Oktober bis Anfang Dezember.

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Rund 950 Eisbären leben nahe Churchill, schätzt die Naturschutzorganisation WWF. Nur die norwegische Insel König-Karl-Land bei Spitzbergen und die russische Wrangelinsel nordöstlich von Sibirien können eisbärmäßig mit Churchill mithalten, aber diese Destinationen sind weitaus schwieriger zu erreichen. Das Dörfchen an der Hudson Bay liegt rund eineinhalb Flugstunden entfernt von Winnipeg, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Manitoba.

Tierschutz profitiert vom Eisbären-Tourismus

Obwohl der Tourismus auch Stress für die Tiere bringt, überwiegen wohl die Vorteile. Denn die enormen Einnahmen aus dem Eisbären-Tourismus werden teilweise auch zum Schutz der Raubtiere eingesetzt. So finanziert die Naturschutzbehörde von Manitoba ein Eisbär-Kontrollprogramm. Der Konflikt zwischen Mensch und Tier soll durch Aufklärungsarbeit eingedämmt werden.

Mit einem solchen Tundra-Buggy werden Touristen in die unwegsame Wildnis gefahren, um Eisbären zu beobachten © Emma/commons.wikimedia.org

Uns steht der erste Konflikt noch bevor – aber immer mit Leibwächter: Die Gruppe trottet dicht gedrängt wie eine Herde dem Zottelbart hinterher. Die Nachhut macht ein Kollege, ebenfalls bewaffnet. Aus den Mündern stieben Wölkchen von Dampf, es herrscht Totenstille. Wir stapfen über Permafrostboden. Der moosige Untergrund federt leicht, hier und da reckt sich eine knorrige Konifere gen Himmel. „Sie sind zwar nur 1,50 Meter hoch, aber Jahrhunderte alt“, sagt Elliot.

Dass wir in der Einöde nicht allein sind, lässt sich am Schnee ablesen. Elliot zeigt die Spuren von Polarfüchsen und Vielfraßen, Rentieren und Lemmingen. Wer sich für karge Wildnis und gespenstische Ruhe begeistern kann, genießt den Spaziergang. Allerdings: ohne Eisbären.

Plötzlich nähert sich das Tier den Menschen

Als wir uns nach gut einer Stunde wieder der Lodge nähern, hält Elliot inne und hebt den Arm. „Wieder die Mama und ihr Junges.“ Da passiert etwas Unerwartetes: Das Junge, bereits doppelt so groß wie ein Bernhardiner, stolpert neugierig auf uns zu. Bald steht es näher bei uns als bei seiner Mutter, und Elliot kramt bereits nervös nach den Steinen. Jetzt setzt sich auch das erwachsene Tier in Bewegung. In unsere Richtung.

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„Mutti, das ist nah genug!“, Elliots Stimme klingt tief und eindringlich. Behäbig setzt das erwachsene Tier seine dicken Tatzen voreinander und bleibt stehen. 30 Meter ist es noch von uns entfernt, doch viel näher ist jetzt das Junge. Die Bärenmama gähnt. „Ein Zeichen von Stress, sie sorgt sich um das Junge“, flüstert Elliot. „Bleibt dicht zusammen.“ Da hoppelt der Kleine unvermittelt wieder in Richtung Mama. Die Situation entspannt sich.

Ohne Bären wäre Churchill nicht mehr da

„Welthauptstadt der Eisbären“ – mit diesem Motto wirbt Churchill, ein winziges Nest, knapp tausendfünfhundert Kilometer Luftlinie von der Provinzhauptstadt Winnipeg entfernt, für sich. Es gibt dort keine Bodenschätze, keine Landwirtschaft, keine Industrie. Im Grunde hat das Dorf mit seinen 900 Einwohnern den Eisbären zu verdanken, dass es überhaupt noch existiert.

Eine Eisbärmutter und ihr Junges. Aufgrund des Klimawandels kommen die Tiere den menschlichen Behausungen in der Polarregion immer näher © Alexey Seafarer/shutterstock.com

Als in den 1980er-Jahren eine Militärbasis geschlossen wurde, ging es wirtschaftlich bergab. „Doch dann entdeckte man die Eisbären für den Tourismus“, erzählt der Lodge-Manager Nolan Booth beim Abendessen. „Damals wurden die Touristen zur Müllhalde in Churchill gefahren, da kamen auch die Bären hin.“ Doch irgendwann waren so viele Tiere dort, dass sie zur Bedrohung wurden. „Heute gibt es keine Halde mehr, der Müll wird abtransportiert.“

Schilder warnen davor, zu Fuß zu gehen

Dass es immer noch eine gewisse Gefahr bedeutet, zu Fuß durch den Ort zu gehen, deuten Warnschilder an, die vor allem am Stadtrand aufgestellt wurden. Einer, der es immer wieder mit „Problembären“ zu tun bekommt, ist Bob Windsor, einer der sechs Natural Ressource Officers. Wir treffen ihn nach der Rückkehr aus der Lodge. Mit einer Neun-Millimeter-Pistole am Gürtel und einem Gewehr über der Schulter zeigt der Ranger auf die Motorhaube seines Geländewagens.

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„Neulich mussten wir einen 270-Kilo-Kerl erschießen“, sagt Windsor. „Wir haben versucht, ihn mit dem Pick-up aus der Stadt zu vertreiben. Schließlich rannte er uns ins Auto. Sehen sie die Beule?“ Dass die Tiere überhaupt in die Stadt eindringen, ist laut WWF eine Folge des Klimawandels. Der Treibhauseffekt bewirkt, dass die Eisschmelze immer früher einsetzt, die Eisbildung im Herbst erfolgt später. Das verkürzt die Jagdzeit der Tiere, und für die Nahrungssuche müssen sie ihren Radius erweitern.

Im Notfall wandert ein Bär ins Gefängnis

Wird einer allzu aufdringlich, hat die Stadt eine einzigartige Einrichtung geschaffen: das Eisbärengefängnis. Dort sitzen mal zehn, mal dreißig pelzige Rüpel ein. Wenn die Tiere bei nächtlichen Streifzügen menschlichen Einrichtungen zu nahe kommen, werden sie betäubt und hinter Gitter verfrachtet. „30 Tage bleiben sie dort, bekommen keine Nahrung und nur Wasser, dann werden sie ausgeflogen.“ Wenn die Tiere hungern müssen, kommen sie nicht wieder, so das Kalkül. Doch laut Ranger Windsor funktioniert das nur bedingt.

Nirgendwo kommt man freilebenden Eisbären so nahe wie beim Ausflug in einem urtümlichen Tundra-Buggies © Michele/flickr.com

Also verzichten wir auf Spaziergänge durch dunkle Gassen und nutzen lieber ein anderes Angebot, das uns den Tieren gefahrlos möglichst nahe bringt: den Tundra Buggy, eine Art Omnibus, nur doppelt so breit und auf riesigen Reifen mit gröbstem Profil. Im Tundra Buggy bollert ein Gasofen mit einem Abzugsrohr wie in Omas Stube. Die Motorhaube ist im breiten Mittelgang eingelassen, so dass man bei Pannen in der Wildnis von innen reparieren kann – zum Schutz vor den Eisbären.

Fünf Meter Abstand zum weißen Riesen

Jean-Philippe McCarthy, Fahrer und Tourguide, wirft den Motor an. Es geht über sesselgroße Steinbrocken. Zugefrorene Seen ziehen vorbei. Unter den mächtigen Walzen zerbricht das Eis in dicke Scherben. „Da auf neun Uhr, Eisbären“. McCarthy geht vom Gas. In einigen Hundert Metern Entfernung fechten zwei weiße Riesen im Stand einen bärigen Boxkampf aus, landen mit ihren dicken Tatzen Treffer um Treffer. Ein paar Gäste stürmen hinaus auf die Plattform am Heck, um den Tieren wenigstens atmosphärisch etwas näher zu sein.

Am „Polar Bear Point“, dem von Churchill am weitesten entfernte Punkt dieser Tour, ist es dann soweit. McCarthy stoppt den Koloss von Bus. Ein ausgewachsener Eisbär schnüffelt am Reifen eines anderen Busungetüms, das dort ebenfalls geparkt hat. Dann macht das Tier Männchen und blickt einer Frau, die gerade über die hohe Balkonbrüstung schaut, direkt in die Augen. Wir können das Ganze aus vielleicht fünf Meter Entfernung beobachten, sogar den starken Raubtiergeruch wahrnehmen. Wow, was für ein Erlebnis!

Die Eisbären-Population nimmt ab

Wie lange solche Begegnungen zwischen Mensch und Tier noch möglich sein werden in Churchill, steht in den Sternen. Denn die pelzigen Hauptakteure, da stimmen Einheimische und wissenschaftliche Beobachter überein, werden weniger. „Schon jetzt zeigen sie ein sehr ungewöhnliches Verhalten, sie fressen aus Hunger manchmal Krähen- oder Preiselbeeren, was sonst nur trächtige Tiere tun“, hat Terry Elliot beobachtet. Die hiesige Population war noch vor gut zehn Jahren 1200 Tiere stark.

Doch bis auf weiteres bleiben Churchill und der Eisbär miteinander verbunden – mit einem sympathischen Nebeneffekt auf das menschliche Miteinander: Zwar zwingt der weiße Gigant die Bewohner in dauerhafte Hab-Acht-Stellung, zugleich aber sorgt er für beste Nachbarschaft. „Wir vertrauen einander sehr“, sagt Touristenführer Elliot. „Wir schließen die Türen unserer Häuser und Autos nicht ab.“ Droht eine ungemütliche Mensch-Eisbär-Begegnung, bieten die Blechkisten nämlich den besten Schutz.

Zu den Eisbären geht es per Bahn oder Flugzeug

Nach Churchill führt keine Straße! Die Bahnverbindung ist zurzeit außer Betrieb – als einzige Möglichkeit bleibt der Flug von Winnipeg mit der Regionalfluggesellschaft Calm Air. Das Rückflugticket kostet in der Eisbärensaison ab 874 Euro.

In der Eisbären-Hauptstadt gibt es einfache Hotels und B&B’s.

Mehr Info über Kanada als Reiseziel beim staatlichen Tourismusamt.

Weitere Flugangebote für Winnipeg:

Hinweis: Die genannten Preise für Übernachtungen und Flüge beziehen sich jeweils auf Suchen am 10. Oktober 2017, sie verstehen sich lediglich als Beispiel und können sich in der Zwischenzeit verändert haben. Die Flugpreise enthalten alle Steuern und Gebühren ohne etwaige Gepäckzuschläge der Fluggesellschaften. Die genannten Hotelpreise verstehen sich lediglich als Beispiel für eine Übernachtung und können sich in der Zwischenzeit verändert haben. Plätze stehen in begrenzter Anzahl zur Verfügung und können eventuell nicht auf allen Flügen und zu allen Terminen gebucht werden.